Mobbing in Schule: Zwanzig Fragen – zwanzig Antworten!

Mobbing in Schule: Zwanzig Fragen – zwanzig Antworten!

1. Was ist Mobbing?

Mobbing …

  • ist eine verbale, physische und / oder psychische Aggression.
  • zeigt sich offen und / oder als verdeckte Gewalt gegen Personen.
  • erstreckt sich über eine längere Zeit.
  • hat das Ziel, jemanden gezielt auszugrenzen bzw. fertig zu machen.
  • kommt häufiger in kontrollfreien Räumen und in hierarchisch strukturierten Systemen vor.
  • symbolisiert das Machtungleichgewicht zwischen Täter oder Täterin in und Opfer.
  • ist ein systemisches Problem.

Mit Mobben ist nicht gemeint, wenn zwei fast gleich starke Kinder oder Jugendliche miteinander streiten, kämpfen oder einen Konflikt austragen.

2. Wann spricht man von Mobbing?

Mobbing beginnt oft schleichend. Ein Schüler oder eine Schülerin wird gemobbt, wenn eine einzelne Mitschülerin, ein einzelner Mitschüler oder eine Gruppe über einen längeren Zeitraum hinweg zum Beispiel immer wieder

  • gemeine oder unangenehme Dinge zu ihr/ihm sagt.
  • ihn oder sie immer wieder in gemeiner Weise hänselt.
  • ihn oder sie vor anderen lächerlich macht.
  • so tut, als wäre er/sie nicht vorhanden.
  • ihn oder sie bedroht oder unter Druck setzt.
  • ihn oder sie in einen Raum einsperrt.
  • ihm oder ihr Sachen wegnimmt.

Im Laufe der Zeit nehmen die schikanierenden Handlungen an Häufigkeit und Intensität zu. Es erfolgt eine Normverschiebung innerhalb der Klasse, die die Grenzen des sozialen Miteinanders zu Ungunsten des / der Gemobbten neu definiert. Es ist normal geworden, XY fertig zu machen.

3. Wie verbreitet ist Mobbing?

Ausgewählte Studien zu Mobbing zeigen, dass im Durchschnitt in jeder Klasse drei Kinder von Mobbing betroffen sind.

  • In der Schule werden 15,7 Prozent der Kinder gemobbt und über jeden Zehnten wird sich lustig gemacht.
  • Jede / jeder neunzehnte Schülerin bzw. Schüler erfährt körperliche Gewalt im Schulalltag.
  • Mobbing tritt gehäuft in den ersten beiden Jahren nach einem Schulwechsel auf. (Pisa-Studie 2017)

Wahr ist aber auch: Drei von vier Jugendlichen (75 Prozent) empfinden ein überdurchschnittlich starkes Zugehörigkeitsgefühl für ihre Schule und die Mitschülerinnen und Mitschüler und 85 Prozent schließen aus, im Schulalltag Außenseiter bzw. Außenseiterin zu sein oder "geschnitten" zu werden.

4. Wie wird gemobbt?

Mobbing ist vielfältig und kann Mischformen annehmen.

  • Physisches Mobbing: Der Täter bzw. die Täterin verpasst dem Opfer ständig Kopfnüsse oder Nackenschläge.
    Relationales Mobbing: Ein Schüler bzw. eine Schülerin verbreitet immer wieder Gerüchte über einen Mitschüler bzw. eine Mitschülerin.
  • Zerstören von Gegenständen: Ein Schüler bzw. eine Schülerin tritt in der Pause ständig gegen die Schultasche des Opfers.
  • Verbales Mobbing: Ein Schüler oder eine Schülerin beleidigt das Opfer ständig vor der ganzen Klasse.
  • Cybermobbing: Ein Schüler bzw. eine Schülerin beleidigt einen Mitschüler oder eine Mitschülerin über soziale Netzwerke und bittet andere, es weiter zu verbreiten. 
  • Mädchen mobben häufiger, indem sie ausgrenzen, hänseln und Lügen verbreiten.
  • Es bestehen keine signifikanten Unterschiede hinsichtlich der Ausübung gewalttätiger Handlungen zwischen Kindern und Jugendlichen mit und solchen ohne Migrationshintergrund.

5. Können bestimmte Faktoren das Risiko von Mobbing erhöhen?

Die nachstehenden Bedingungen können das Entstehen und Aufrechterhalten von Mobbing begünstigen:

  • hoher Leistungsdruck
  • Schulstress oder Langeweile
  • unzureichend empfundene soziale Unterstützung
  • unkooperatives Schulklima
  • gestörte soziale Beziehungen
  • Lehrkräfte sind keine Ansprechpartner
  • fehlende Regeln und Vereinbarungen, bzw. deren Nichteinhalten
  • mangelnde Prävention und Intervention
  • lieblose und reizlose Außenanlage und Schulräume

Das Risiko für Mobbing wird eher durch externe Faktoren begünstigt, als durch Persönlichkeitsfaktoren des Opfers. Dies kann der Schulweg sein oder „dunkle“ Stellen auf dem Schulgelände. Den Lehrkräften der Schule empfehlen wir, eine Karte ihrer Schule zu erstellen und über einen gewissen Zeitraum Vorfälle auf dem Schulhof auf der Karte zu dokumentieren.

Weitere Informationen
Unfallkasse NRW

6. Woran erkenne ich, dass jemand eventuell von Mobbing betroffen ist?

Lang anhaltendes Mobbing kann für das Opfer schwerwiegende Folgen haben. Frühzeitiges Erkennen von Mobbing hilft eine Verfestigung zu vermeiden.

Folgende Bereiche können betroffen sein:

  • physische Schädigungen = z.B. Verletzungen
  • psychische Schädigungen = z.B. Zerstörung des Selbstbewusstseins
  • psychosomatische Reaktionen = z.B. Appetitlosigkeit, Bauchschmerzen, Albträume, Schlafstörungen
  • sonstige Reaktionen = z.B. Unkonzentriertheit, Fehltage durch "Krankheitstage" oder Schwänzen, Rückzug aus sozialen Bezügen, Ängste, Depressionen

Mobbing-Opfer verhalten sich ängstlich oder unsicher, werden bei Lern- und Arbeitsgruppen vermieden, sind beim Essen oder in Pausen oft allein. Einige Kinder und Jugendliche sind suizidgefährdet.

Lehrkräfte, die das Klima in ihrer Lerngruppe erfragen möchten, können folgende Fragebogen einsetzen: SMOB-Fragebogen

7. Was passiert in einer Klasse, in der gemobbt wird?

Klassen mit Mobbing gleichen einem ´System der Schikane´. Es gilt das Recht des Stärkeren und es herrscht ein Klima der Diskriminierung, Demokratie als Lebensform wird täglich in Frage gestellt.

Der Mobbingprozess läuft im ungünstigsten Fall in drei Phasen ab.

Explorationsphase

Die Klassengemeinschaft ist sich grundsätzlich über Regeln und Werte einig. Eine Person möchte ihren Status erhöhen, hat aber noch niemanden konkret im Blick.

  • Die Angriffe erfolgen auf alle Schülerinnen und Schüler mit dem Ziel, deren Reaktionen bzw. die der Klasse zu testen und geeignete Opfer zu finden.
  • Es wird beobachtet, ob und wie sich ein Kind in dieser Situation wehrt, und ob es Unterstützung von anderen Kindern oder der Lehrkraft erfährt.
  • Erfährt der Angreifer bzw. die Angreiferin bei ihren/seinen ersten Erniedrigungen keinen Gegenwind oder sogar Bestätigung von anderen Kindern, die zusehen, und einzelnen, die sogar mitmachen, dann stabilisiert sich die Situation.

Ein Opfer hat sich in maximal 2 Wochen etabliert.

 

Konsolidierungsphase

Es folgen systematischere Attacken gegenüber einem ausgewählten Opfer, soziale Normen in der Klasse werden ausgetestet.

  • Das Opfer leidet und die Scham ist sehr hoch, sich jemandem anzuvertrauen.
  • Das Vertrauen durch die Klassenleitung unterstützt zu werden ist gering, daher schweigen viele lieber.
  • Assistierende partizipieren am vermeintlich hohen Status des Täters bzw. der Täterin und sind geschützt, evtl. steigt deren Status ebenfalls an – "Wir sind Wer" Phänomen.
  • Mitläuferinnen und Mitläufer üben eher relationale Gewalt aus, machen mal mit, haben häufig dabei ein schlechtes Gewissen – aber die Starken haben das Sagen.
  • Die restliche Lerngruppe ist ängstlich und sich der Größe ihrer Gruppe oft nicht bewusst, möchten nicht als Petze dastehen.
  • Ad hoc Interventionen wie Einzelgespräche mit dem Opfer verschlimmern die Situation. Die Angst der Anderen vor Konsequenzen erhöht den Druck auf das Opfer.
  • Einzelgespräche mit der Täterin bzw. dem Täter, als alleinige Intervention, sind ebenfalls nicht zielführend, denn die Assistenten bzw. Assistentinnen übernehmen deren/ dessen Rolle.

In dieser Phase ist eine systemische Intervention noch gut anzuwenden.

 

Manifestationsphase

Schwieriger wird es, wenn die Opferrolle in der Manifestationsphase festgelegt ist und die Definitionsmacht der sozialen Normen bei der Täterin bzw. dem Täter liegt.

  • Der Werterahmen verschiebt sich, die Klasse befindet sich zu diesem Zeitpunkt außerhalb des Normgefüges. Ein schlechtes Gewissen ist nicht mehr vorhanden - es ist „korrekt“ geworden, dass die Gemobbten es abbekommen.
  • Das Opfer wird „entmenschlicht“ → „Looser, Dreck“; es verliert sein (Ur-) Vertrauen in das Wertesystem; ihm/ihr werden die Menschenrechte abgesprochen.
  • Die Lehrkraft steht dagegen noch im alten Werteraum, hat das System der Schikane noch nicht verstanden und ist nicht mehr Teil der Klasse.

Bildungsinhalte wie der Umgang mit Diversität, Erziehung zu Toleranz und Mitgefühl sind in solchen Klassen schwer zu vermitteln.

8. Welche Rolle spielen Lehrkräfte?

„Weggeschaut ist mitgemacht!“ Das gemobbte Kind kommt nicht ohne Unterstützung der Lehrkraft aus dieser Opfer-Rolle und der Mobbing-Situation heraus. Der Weg führt unweigerlich über die Lehrkraft.

Die Lehrkraft …

  • positioniert sich für ein positives Werte- und Normensystem in der Klasse.
  • setzt sich für Regeln und deren Einhaltung im Klassenraum ein.
  • fördert Selbstverantwortung von Kindern und Vereinbarungen zum respektvollen Umgang.
  • sorgt dafür, dass sich alle daran halten und Mobbing nicht geduldet wird.

Das muss den Kindern/ Jugendlichen auch genau so erklärt werden: Die Lehrkraft ist eine Art "Chef" bzw. "Chefin" im Klassenraum, um wieder ein positives Wertesystem in der Klasse zu etablieren. Auch wenn die Kinder/ Jugendlichen das in dem Moment nicht erkennen, befürchten alle eine Verschlimmerung der Situation.

9. Wie können Schulen Mobbing vorbeugen?

Gegen Mobbing an Schulen wirkt ein präventives gesamtschulisches Konzept, bei dem alle Beteiligten ihren Beitrag für ein demokratisch-pro soziales Wertesystem innerhalb der Schule leisten. Das bedeutet, Schule als demokratischen Werteraum verstehen und alle am Schulleben beteiligten Menschen partizipativ einzubinden.

Auf Schulebene

  • Implementierung von langfristigen Mehr - Ebenen – Programmen mit sich wiederholenden Maßnahmen gegen Mobbing
  • Einbindung aller am Schulleben beteiligten Menschen (Eltern, Lehrkräfte, Schulsozialarbeit, pädagogische Fachkräfte, Kinder, Jugendliche sowie das Umfeld).
    • Integration gewaltpräventiver Inhalte in Leitbild, Schulprogramm, Schulordnung
    • Thematisierung in der Schulkonferenz
    • Arbeits- und Diskussionsgruppe zur Entwicklung des “Schulklimas”
    • Förderung von Partizipation und Programmen der „peer-group-education“
    • Elternabende, Vorträge, etc.
  • Installation eines schulischen Teams für Beratung, Gewaltprävention und Krisenintervention
  • Maßnahmen zur Teamentwicklung, interdisziplinärer Arbeit und handlungs-orientierter Vernetzung
  • Bildungsprogramme und Interventionsstrategien umsetzen, die die sozialen und emotionalen Kompetenzen stärken, Resilienzen sowie Kommunikation, Verantwortungsübernahme und Stressmanagement fördern.
  • Projekte initiieren und unterstützen, die das Schulklima verbessern und eine offene Atmosphäre mit fairer konstruktiver Gesprächs- und Streitkultur ermöglichen.
  • Gestaltung attraktiver Schulhöfe und bessere Pausenkontrollen
  • Einrichtung eines Kummerkastens/ Kontakttelefons
  • Angebote und Erprobungen konstruktiver Handlungs- und Problemlösungsstrategien

Auf Klassenebene

  • Einrichtung eines Klassenrats und regelmäßige Klassengespräche.
  • Kooperatives Lernen und gemeinsame positive Aktivitäten fördern.
  • Gemeinsame Treffen zwischen Lehrkräften, Eltern, Schülerinnen und Schülern organisieren.
  • Normen und Klassenregeln vereinbaren, positive sowie negative Sanktionen verdeutlichen.
  • Maßnahmen zur Streitschlichtung etablieren.
  • Soziale Kompetenztrainings und Projektwochen - Übungen und Spiele zu Kooperation und Perspektivenübernahme durchführen.

Auf Ebene des Individuums

  • Programme zur Förderung von Lebenskompetenzen einsetzen.
  • Bindungen aufbauen und positive Beziehungen gestalten.
  • Positives Lern- und Selbstkonzept vermitteln.

Offener Ganztag

  • Vielfältige und abwechslungsreiche Aktivitäten zur Förderung eines friedlichen Umgangs und zur Entwicklung eines positiven Selbstkonzepts anbieten
  • Angebote zu gewaltpräventiven Themen bereithalten
  • Ansprechpartnerin, -partner bei Konflikten sein

10. Was kann die Schule bei einem Mobbing-Vorfall tun?

Aggressives Verhalten und Gewalt bei Kindern und Jugendlichen sind meist Ausdruck ungelöster Konflikte, bei denen konstruktive und gewaltfreie Konfliktlösungen nicht vorhanden sind oder nicht gewählt werden. Da Mobbing ein systemisches Problem ist, muss es innerhalb der Schule systemisch gelöst werden, d.h. nicht von außen, sondern in Verantwortung der Klassenlehrkräfte und Schulleitung.

  • Das Schulische Team für Beratung, Gewaltprävention und Krisenintervention einschalten.
  • Den Notfallordner zur Hilfe mit einbeziehen.
  • Klare Regeln mit Interventionsmaßnahmen bei Gewalt und Konsequenzen bei Nichteinhaltung von Regeln erneut transparent machen.
  • Einheitliche Interventionskette, Verhaltenserwartungen, Selbstverpflichtung, konsequentes Einschreiten bei Regelverletzungen, Änderungen in der Klassen- und Unterrichtsführung, organisatorische Umstrukturierungen im System Schule.
  • Programme zur Stärkung der sozialen Kompetenz und zur Unterstützung von Opfern durchführen.
  • Erhöhung der Verantwortlichkeit und der Aufmerksamkeit durch zeitnahes Reagieren auf Gewalt.
  • Regelmäßige Überprüfung der Maßnahmen.
  • Opfer schützen – emotionales Helfersystem etablieren.
  • Nach Bedarf Eltern mit einbeziehen (Vorsicht: Noch nicht die Tätereltern).
  • Hilfe suchen beim schulpsychologischem Dienst oder anderen Beratungsstellen.
  • Gemäß Erlass 18-03 Nr.3 handeln und eng mit den Jugendhilfeeinrichtungen und der Polizei zusammenarbeiten.

11. Was kann die Lehrkraft / pädagogische Fachkraft bei einem Mobbing-Vorfall tun?

Ihr oberstes Ziel lautet: Opferschutz geht vor Mobber-Bestrafung!

  • Führen Sie vertrauensvolle Gespräche, bagatellisieren Sie nicht.
  • Sprechen Sie die Vorgehensweise mit dem Schüler bzw. der Schülerin und den Eltern ab, eine Ideallösung wird es nicht immer geben.
  • Machen Sie im Gespräch mit der Klasse deutlich, dass das einzelne Verhalten genau beobachtet wird, verdeutlichen Sie Konsequenzen, wenn die Situation nicht sofort unterbunden wird. Binden Sie zu einem späteren Zeitpunkt den Täter bzw. die Täterin aktiv in Lösungsvorschläge mit ein.
  • Führen Sie Gruppengespräche mit der Klasse über Umgangsformen miteinander.
  • Stärken Sie Mitlaufende und Zuschauende, damit sie einschreiten und das Verhalten des Mobbers nicht durch ihr Schweigen verstärken.
  • Verdeutlichen Sie, dass sich an Erwachsene wenden kein Petzen ist. Frühes Einschreiten bedeutet zivilcouragiert zu handeln und ist wichtig, damit sich soziale Normen nicht verschieben.
  • Vermitteln Sie den Schülerinnen und Schülern: Wer sich öffnet, darf darauf vertrauen, dass etwas geschieht und er/sie geschützt wird.
  • Verabreden Sie gemeinsame Reaktionen und Konsequenzen mit der Abteilungsleitung bzw. mit der Schulleitung. Beziehen Sie dabei einen klaren Standpunkt.
  • Arbeiten Sie langfristig präventiv, warten Sie nicht darauf, dass ein neues Opfer generiert wird. Erstellen Sie Klassenregeln, führen Sie Helfersysteme ein und überlegen Sie sich schulgemeinschaftlich, welche präventiven Programme an ihrer Schule wirken können.
  • Holen Sie sich Unterstützung, kooperieren und arbeiten Sie mit externen Beratungsstellen zusammen.

12. Welche Kompetenzen braucht es, um pädagogisch angemessen einzugreifen? (nach Bilz, Schubarth)

  • Professionswissen: Wissen über Gewalt/Mobbing, Fortbildungen
  • Selbstwirksamkeit: Selbstwirksamere Lehrkräfte neigen seltener dazu, Mobbing zu ignorieren. Sie verfolgen mit ihren Interventionen langfristigere Ziele und erreichen diese auch eher.
  • Gewaltverständnis: Lehrkräfte mit einem weiten Gewaltverständnis nehmen mehr relationales Mobbing wahr, intervenieren eher bei relationalem Mobbing und haben in ihren Klassen Schüler und Schülerinnen, die bei relationalem Mobbing eher eingreifen würden.
  • Wahrnehmungsfähigkeit: Lehrkräfte dazu befähigen, Mobbingtäterinnen, -täter und -opfer in ihren Klassen zuverlässig identifizieren.
  • Empathie: Empathischere Lehrkräfte zielen mit ihren Interventionen stärker auf die Opfer ab. Sie verfolgen langfristiger ausgerichtete Interventionsziele und erreichen diese auch im stärkeren Maße.
  • Selbstregulation: Fokus auf die eigene Person und Berufsrolle.

13. Was können Kinder und Jugendliche bei einem Mobbing-Vorfall tun?

Die Lehrkräfte positionieren sich für ein positives Werte- und Normensystem in der Klasse, setzen sich für Regeln und deren Einhaltung ein, fördern Selbstverantwortung von Kindern und Jugendlichen, treffen Vereinbarungen zum respektvollen Umgang. Deshalb sollten Schülerinnen und Schüler, die sich in einer Mobbingsituation befinden:

  • Erwachsene wie Lehrerkräfte, Schulpsychologie, Eltern, Freunde und Außenstehende in Jugendzentren und Beratungsstellen einbeziehen.
  • die Chats und Foren gegen Mobbing im Internet nutzen.
  • die Vorfälle in einem Mobbingtagebuch dokumentieren.
  • Trainings zur Stärkung des Selbstbewusstseins und der Selbstbehauptung besuchen.
  • Klassenkameraden bzw. Klassenkameradinnen bei der Lehrkraft melden, wenn sie mobben.

14. Wie können Eltern ihr Kind unterstützen, wenn es belästigt wird?

Die Opfer wollen nicht, dass ihre Eltern leiden und haben die Wahrnehmung, dass diese „eh nicht helfen“ können. Eine Aufarbeitung der Mobbing-Situation führt deshalb häufig über über die Lehrkraft oder die Schulleitung.

  • Kinder und Jugendliche ernst nehmen - ausführliche und ruhige Gespräche mit dem Kind führen.
  • Klassenleitung, Beratungslehrkraft oder Abteilungsleitung bzw. Stufenkoordinatoren informieren und gemeinsame Handlungsschritte absprechen.
  • im Notfall an die Schulleitung oder eine Beratungsstelle wenden.
  • Informationen und Tatsachen sammeln, aufschreiben, Mobbingtagebuch anlegen.
  • mit Zustimmung des Kindes deutliche Signale senden und durch Kontaktaufnahme mit der Schule, der Klassenleitung, der Schulleitung ein pro-aktives Handeln einfordern - Erwachsene müssen gemeinsam Reaktion zeigen.
  • nicht selber Kontakt mit den Eltern der Täterin bzw. des Täters aufnehmen.
  • flankierende Interventionsmaßnahmen und Präventionsangebote anregen.

Soll ich zur Polizei?

Gewaltpräventive Maßnahmen in Schulen sollten Vorrang vor einem Strafantrag haben!

Neben der Strafanzeige gibt es oft effizientere Maßnahmen und Hilfsangebote. Die Entscheidung muss immer im Kontext des konkreten Einzelfalls getroffen werden. Da eine Strafanzeige für die Kinder und Jugendlichen tiefgreifende Konsequenzen hat, sollten zeitnahe pädagogische Interventionen vorangehen.

Bei älteren Jugendlichen hingegen und in Verbindung mit Medien (Cybermobbing, Hate Speech, Sexting), ist eine Strafanzeige häufig sinnvoll. Ist die Schule betroffen, wird diese über die Schulleitung gestellt, bei Jugendlichen über die Eltern.

Eltern haben zivilrechtliche Möglichkeiten!

Da der Leidensdruck der Opfer in einigen Fällen sehr hoch ist, sollten Eltern eine Mobbing-Situation zivilrechtlich möglichst schnell stoppen. Nachfolgende Schritte sind in Absprache mit einem Rechtsanwalt möglich.

  1. Informelle Aufforderung durch das Opfer mit zeitlich bedingter Antwort
  2. Abmahnung
  3. Die Unterlassungsklage
  4. Die einstweilige Verfügung
Grafik Gesetzliche Grundlagen - Intervention

15. Gibt es in Deutschland ein Gesetz gegen Mobbing?

Ein gesondertes Gesetz gegen Mobbing gibt es in Deutschland bisher nicht. Es kommen verschiedene Gesetze zum Einsatz und selbstverständlich BGB § 1626 "Kinder und Jugendliche haben ein Recht auf gewaltfreie Erziehung".

16. Wo gibt es Hilfe?

In allen Eltern- und Jugendberatungen und schulpsychologischen Beratungsstellen.

Eine Sonderstellung nimmt dabei die Schulpsychologie ein, die vor Ort oder in Einzelfallarbeit unterstützend das Problem zusammen mit mit der oder dem Gemobbten und der Schulleitung und der Schulleitung aufgreift und Hilfestrukturen anbietet. In jedem Fall müssen Schulpsychologie, Schulsozialarbeit, Lehrkräfte und Schulleitung eine Lösung finden, wie das Kind schnell aus der Mobbingfalle herauskommt. Denn je länger die gemobbte Schülerin und der gemobbte Schüler der Mobbing-Situation ausgesetzt ist, desto schwerwiegender sind die psychischen Schäden.

Weitere Anlaufstellen sind:

17. Welche Präventionsprogramme gegen Mobbing sind empfehlenswert?    

Neben der nachweisbaren Effektivität vieler schulbezogener Maßnahmen werden alle Kinder und Jugendliche in der Schule in einem Lebensumfeld erreicht, welches für sie alltäglich und vertraut ist. Die nachfolgenden Konzepte zur Gewaltprävention sensibilisieren, fördern die positive Entwicklung junger Menschen und reduzieren Defizite.

  • Education Y Programm
  • Fairplayer.manual
  • Faustlos
  • Fit for Life
  • Gewaltfreie Kommunikation
  • Klasse 2000
  • Klasse-Kinder-Spiel
  • Klassenrat
  • Law4School
  • Lions Quest
  • Lubo aus dem All
  • Medienhelden
  • Medienscouts
  • Mind Matters
  • „Mobbingfreie Schule – Gemeinsam Klasse sein“, Techniker Kasse
  • „Mobbing nicht an unserer Schule, Mind Matters“, Unfallkasse
  • Peer education Programme wie Schule ohne Rassismus, Schule der Vielfalt
  • Soziale und emotionale Kompetenztrainings wie Coolnesstraining
  • Theaterpädagogische Projekte

Eine Übersicht und Einschätzung über weitere bewährte Präventionsprogramme finden Sie in der „Grünen Liste Prävention“.

 

18. Welche Interventionsmaßnahmen haben sich bewährt?

Die Perspektive von Lehr- und pädagogischen Fachkräften auf Mobbing, aus Sicht von Schülerinnen und Schülern bewertet, verändert sich.

Autoritär-strafende Methoden haben keinen hohen langfristigen Nutzen für eine gelungene Intervention bei Mobbing. Stattdessen werden individuell-unterstützende Ansätze empfohlen:

  • No blame approach – Intervention ohne Schuldzuweisung - fairend Köln
  • Anti-Bullying Strategie nach Dan Olweus
  • System der Schikane, KonfliktKultur Freiburg
  • Soziale Kompetenztrainings
  • Tatausgleich und Wiedergutmachung in Schule
  • Klassenrat
  • MIT – Mobbing-Interventions-Teams
  • Weitere Fortbildung im Zentrum für Schulpsychologie

19. Und was ist mit nachmittags?

Schule hat laut §2 Schulgesetz NRW einen umfassenden Erziehungsauftrag, der im Gegensatz zur Aufsichtspflicht nicht zu einer bestimmten Uhrzeit endet.

Strafbare Handlungen, die von Schülerinnen oder Schülern außerhalb der Schule begangen werden, können dann zu Erziehungs- und Ordnungsmaßnahmen nach dem Schulgesetz führen, wenn ein schulischer Bezug erkennbar ist, zum Beispiel, wenn Mitschülerinnen oder Mitschüler oder Lehr- und Fachkräfte einer Schule betroffen sind. (Erlass 18-03, In: Zusammenarbeit bei der Verhütung und Bekämpfung der Jugendkriminalität, MSB 2019)

20. Mobbing von Lehrkräften

Lehrkräfte in Schulen ohne etablierten Verhaltenskodex gegen Mobbing haben ein zweifach höheres Risiko, Opfer von direktem Mobbing zu werden als Lehrkräfte aus Schulen mit einem Verhaltenskodex. Unbestritten ist ebenso, dass positives Führungshandeln einen Einfluss auf Arbeitszufriedenheit, Kooperation und Stressabbau nehmen.

  • Prävention auf persönlicher Ebene: z.B. jedem mit Achtung und Höflichkeit begegnen, Ich-Botschaften senden und aktiv zuhören, Schwierigkeiten frühzeitig mitteilen und ansprechen.
  • Prävention auf Schulebene: z.B. durch Maßnahmen zur Arbeitsorganisation Belastungen reduzieren, ein Schulklima pflegen, das gegenseitige Unterstützung wertschätzt, neue Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter integrieren und Umgang mit Konflikten zum Thema von Schulungen/ (schulinterner) Fortbildung machen.
  • Prävention auf Schulaufsichtsebene: z.B. entsprechende Schulinitiativen fördern, Team- und Konfliktfähigkeit bei der Auswahl geeigneter Schulleitungen berücksichtigen, Schulleitungen in Fragen des Umgangs mit Konflikten, der Prävention und Intervention bei Mobbing beraten, die Bereiche Konfliktbewältigung und Mobbingprävention auf Schulleiterdienstbesprechungen thematisieren.

Weitere Informationen

Bildnachweise (CCO): Alle 3D-Grafiken: pixabay.com/de/m%C3%A4nnchen-3d-model-freigestellt-3d-2358243/