Die Aufnahmen der aktuellen Werkschau basieren auf einer jahrzehntelangen Auseinandersetzung mit dem Medium der Fotografie, seinem funktionalen und künstlerischen Einsatz und speziell mit den Spielarten künstlerisch-adäquater und zugleich historisch bedeutsamer Darstellung. Entstanden ist das fotografische Werk der Bechers auf vielen seit den 1960er-Jahren unternommenen Arbeitsreisen, die gezielt der fotografischen Erschließung von Industrieanlagen galten.
Die Ansichten der Kohlebunker stehen insbesondere in Verbindung mit der fotografischen Dokumentation gesamter Bergwerke, Zechen und Kokereien. Fotografien, die vorwiegend im Ruhrgebiet, in Belgien, Frankreich, Wales und den USA entstanden. Bernd und Hilla Becher waren die ersten, die diese markanten Großbauten in ihrer skulpturalen Wirkung und ihrer künstlerischen Bildwürdigkeit wahrgenommen haben.
Möglichst von mehreren Seiten aufgenommen, haben sie die Bauten mittig ins Bild gesetzt, um dem Betrachter fast schon einen Rundumblick zu gewähren – mal frontal, mal perspektivisch und über Eck gesetzt – immer so, dass das Motiv in seiner Form und Struktur detailliert anschaulich und darüber hinaus auch samt seiner Funktionsweise verständlich bleibt. "Die betrachteten Objekte" – so sagten Bechers sinngemäß, – "sollten für sich sprechen."
In ihrer 1970 erschienenen und berühmten Publikation Anonyme Skulpturen. Eine Typologie technischer Bauten hatten Bechers neben den Kalköfen, Kühltürmen, Hochöfen, Fördertürmen, Wassertürmen, Gasbehältern, bereits das Thema der Kohlebunker einbezogen. Die Ansichten dieser Bauten – so von den Kohlebunkern auf der Kokerei Carolinenglück in Bochum, der Kokerei Concordia in Oberhausen und der Kokerei Hannibal in Bochum (sämtlich aus den 1920er-Jahren) – waren als "Silos für Kokskohle" in das Kapitel über Silos integriert.Diesem Kapitel vorangestellt, hatten die Künstler einen kurzen Text, der die Funktionsweise des Bauwerks umreißt: "Silos sind Schacht- oder Zellenspeicher zur Lagerung von Schüttgütern, z. B. Kohle, Erz, Getreide und Futtermitteln. Sie bestehen aus einem oder mehreren Behältern aus Holz, Beton oder Stahl und sind mit Vorrichtungen zum Füllen und Entleeren versehen. Je nach dem speziellen Verwendungszweck haben sie außerdem Einrichtungen zum Sortieren, Mischen oder Aufbereiten. Im Allgemeinen werden die Schüttgüter auf mechanische Weise von oben eingefüllt und von unten entnommen. Die Form der Behälter bzw. inneren Zellen richtet sich nach der Beschaffenheit des Füllmaterials (Oberfläche, Gewicht und Größe der Partikel), sowie nach Art und Ausmaß von Beschickung und Entnahme."
Folgen wir der aktuellen Ausstellung, so finden wir unterschiedliche von Bernd und Hilla Becher verfolgte Strategien, das Motiv eines Kohlebunkers zu präsentieren. So stellten sie mehrere perspektivische Ansichten von Kohlebunkern, aufgenommen an verschiedenen Orten und zu unterschiedlichen Zeiten, in einer Tableau-artigen
Bildgruppe zusammen, die sie Typologie nannten. In speziellem Fall ist es eine besonders große Typologie mit 24 Ansichten, die zum Vergleich der unterschiedlichen Bauformen anregt.
Die Kohlebunker, alle in ähnlichem Maßstab vor Augen geführt, sind enorm hohe Betonbauten, die im sachlichen Stil der 1920er-Jahre gebaut wurden. Zuweilen können am Bau hervortretende Rippen wahrgenommen werden, die die Wände verstärken, um dem besonderen Druck der innen gelagerten Kohle gut standhalten zu können. Manchmal finden sich auch Dächer oder fensterartige Vorsprünge, die an Hausformen erinnern und fast dekorativ im Widerspruch zur Funktion, zur extremen Abgeschlossenheit und Größe der Zweckarchitekturen stehen. Wissenswert ist, dass unterhalb des Kohlebunkers die Kohlevorräte in Füllwagen geladen werden konnten und zu den Koksofenöffnungen verbracht wurden. Vielfach sind auf den Fotografien der Bechers auch die sich anschließenden Koksofenbatterien zu erkennen. Sprechen wir über die Bauten in der Vergangenheit, so ist dies schon ein Verweis darauf, dass die meisten der von Bernd und Hilla Becher fotografierten Industrieanlagen heute nicht mehr in Betrieb und weitgehend nicht mehr existent sind. Schon allein deshalb ist das Werk des Künstlerpaars von höchster dokumentarischer Bedeutung.Eine weitere Möglichkeit, sich dem Thema zu nähern, ist die der hohen Vergrößerung, die den Blick nochmals mehr auf die Details des Baukörpers lenkt. Hier ist es weniger das vergleichende Sehen, das uns als Betrachter fordert, sondern mehr die Eigentümlichkeit des Objekts und sein Material. Außerdem bietet die Ausstellung größere Ansichten von gesamten Zechenanlagen, die eine sinnhafte Verortung der Kohlebunker im Landschaftsbild einer komplexen industriellen Anlage veranschaulichen.
Eine Präsentation des Studio Becher, geleitet von Max Becher, in Kooperation mit der Landeshauptstadt Düsseldorf und der Photographischen Sammlung/SK Stiftung Kultur, Köln. Gezeigt werden sämtlich Gelatinesilberabzüge aus dem Becher Studio.
Fotografien von Bernd & Hilla Becher: © Estate Bernd & Hilla Becher, represented by Max Becher in cooperation with Die Photographische Sammlung/SK Stiftung Kultur.
Text: © Die Photographische Sammlung/SK Stiftung Kultur
(Der Text wurde redaktionell bearbeitet)