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Gesundheit Soziales
Cannabis
Prävention und Hilfe anstelle von Verbotsstrukturen
Fachtagung Cannabis im Düsseldorfer Rathaus soll Wege für eine lizenzierte Abgabestelle für Cannabis aufzeigen
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Cannabis ist die am häufigsten konsumierte illegale Substanz in Deutschland. Der Rat der Landeshauptstadt Düsseldorf hat seinen Gesundheitsausschuss beauftragt, Lösungswege aufzuzeigen, die modellhaft an die Stelle der bisherigen Verbotsstrukturen treten können und zugleich stärker auf Aufklärung, Prävention und Hilfe setzen. Deshalb arbeitet die Verwaltung unter Einbeziehung des Lenkungskreises Suchthilfeplanung, weiterer Drogenexperten und der Polizei an einem Antrag auf eine Ausnahmegenehmigung zum Betrieb von lizenzierten Abgabestellen von Cannabisprodukten. Ziel ist, modellhaft eine lizenzierte Stelle einzurichten, bei der ausschließlich Erwachsene legal Cannabis-Produkte für den persönlichen Gebrauch erwerben können.
Zur offenen Diskussion um Chancen und Risiken eines solchen bundesweit einmaligen Pilotprojekts diente eine Fachtagung, die am 7. Dezember im Düsseldorfer Rathaus stattfand. Neben Vertreterinnen und Vertretern der verschiedenen politischen Parteien kamen insbesondere Experten aus Wissenschaft und Praxis zu Wort, die das Pro und Contra einer legalisierten Cannabisabgabe herausstellten.
Düsseldorfs Gesundheitsdezernent Prof. Dr. Andreas Meyer-Falcke machte deutlich, dass für die Landeshauptstadt Düsseldorf Aufklärung und Prävention im Vordergrund des Pilotprojekts stehen sollen. "Es geht vor allem darum, Risiken aufzuzeigen und Hilfen zum Ausstieg anzubieten." Insbesondere dem Jugendschutz kommt eine hohe Bedeutung zu.
Der Leitende Oberarzt der Station zur qualifizierten Entzugsbehandlung für suchtkranke Kinder und Jugendliche "Das Grüne Haus", in Köln-Holweide Dr. Dr. Armin Claus sieht als entscheidende "Stellschrauben" für Substanzkonsum insbesondere bei Minderjährigen die Verfügbarkeit und Finanzierbarkeit sowie die Bewertung der Substanz durch die Freundeskreis und Gesellschaft. Er erklärte: "Je größer die allgemeine Konsumverbreitung, desto höher ist die gesellschaftliche Akzeptanz und desto niedriger die Bewertung als potentiell gefährlich." Für ihn stellt die Legalisierung von Cannabis deshalb ein hohes Risiko für den Jugendschutz dar, da Cannabis dadurch gesellschaftsfähig werde und von Minderjährigen - und Eltern - als eher harmlos und potenziell wenig gefährlich eingeschätzt würde. Die Verfügbarkeit von Cannabis werde steigen und der Preis sinken. So zeige die Praxis in den USA, dass dort immer mehr Jugendliche Cannabis konsumieren.
Prof. Dr. med. Ulrich W. Preuss, Klinikdirektor der Vitos Herborn gemeinnützige GmbH, wies auf weitere Gefahren von Cannabiskonsum hin. So sei die Rate psychischer und somatischer Störungen bei Personen mit Cannabiskonsumstörungen wie Abhängigkeit und Missbrauch signifikant erhöht. Es gäbe ein erhöhtes Risiko für Psychosen und affektive Erkrankungen. Der Erkrankungsbeginn von Psychosen werde um rund 2,5 Jahre vorverlegt. Mutmaßlich bei Personen mit biologisch erhöhtem Risiko werde die Erkrankung überhaupt und früher symptomatisch. Er weist darauf hin, dass bei den somatischen Folgen auch der gleichzeitige Konsum von Tabakprodukten zu berücksichtigen sei. Insbesondere bei Jugendlichen, die früh und regelmäßig Cannabis konsumieren, sei mit Einbußen der geistigen Fähigkeiten zu rechnen.
Die Befürworter eine Legalisierung von Cannabis-Produkten sehen darin jedoch eine große Chance, die nicht kleine Zahl der Konsumenten zu entkriminalisieren und Einfluss auf ihr Konsumverhalten zu nehmen. So erklärte Irene Mihalic MdB, Polizeioberkommissarin a.D. und Mitglied des Bundestages für die Grünen: "Das gesundheitliche Risiko für Drogenkonsumenten beruht weniger auf den Wirkstoffen der Droge, sondern ist direkte Folge eines großen und vollumfänglich zur Verfügung stehenden kriminellen Marktes. Kriminelle Märkte kennen aufgrund ihrer Funktionsweise weder einen Jugendschutz noch eine Produktkontrolle, also an gesundheitlichen Kriterien orientierte Regelungen bezüglich Produktion, Produktqualität und Produktionskontrolle und Regulierungen des Handels. Die Staaten weltweit und auch die Bundesrepublik sind nicht in der Lage, zum Gesundheitsschutz der Bürgerinnen und Bürger wirksam in den illegalen Markt einzugreifen. Kriminalisierung und Deregulierung sind zwei Seiten derselben Medaille. Drogenpolitik ist Gesundheitspolitik und muss sich von der Vorherrschaft der Innenpolitik und damit der Kriminalpolitik befreien."
Und der Düsseldorfer Wirtschaftsprofessor Justus Haucap postulierte kurz und knapp: "Die Prohibition in Deutschland ist komplett gescheitert. Mit einem regulierten Markt kann man die Probleme in den Griff bekommen."
Die Ergebnisse der Fachtagung müssen nun zusammengefasst und mit der Politik dikutiert werden, um das weitere Vorgehen festzulegen.