Analogien

August Sander: Straßenarbeiter im Ruhrgebiet, um 1928/Abzug 1997 © Die Photographische Sammlung/SK Stiftung Kultur – August Sander Archiv, Köln; VG Bild-Kunst, Bonn, 2019/20

Analogien

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Bemerkenswerte Aufnahmen, die für Bernd und Hilla Becher zentrale Inspirationsquellen waren, stehen im Fokus der Präsentation und treten zugleich mit ausgewählten Werken des Photographenpaars in einen Dialog. Die Fotografien von Peter Weller und August Sander, deren für diese Ausstellung ausgewählten Arbeiten in die ersten drei Jahrzehnte des 20. Jahrhunderts fallen, begeisterten Bechers nachweislich bereits in den Anfängen ihrer Arbeit in den frühen 1960er-Jahren.

Die Ausstellung mit über 70 Exponaten zeigt inhaltliche und methodische Korrespondenzen im Schaffen der drei fotografischen Positionen auf. Gabriele Conrath-Scholl, Leiterin und Kuratorin der Photographischen Sammlung/SK Stiftung Kultur, ist sehr glücklich, die drei Positionen erstmals in dieser Kombination auszustellen: "Becher, Weller, Sander – das sind drei Positionen, die uns ein wesentliches Kapitel unserer industriellen Entwicklung in klarsichtigen Bildern nahebringen; in Bildern, die von der bewundernswerten Hingabe und Fähigkeit ihrer Autoren berichten ebenso wie von den Menschen, die sich - wie bei Sander - entweder selbst der Kamera stellten und sich durch ihre Einflussnahme auf ihre Umgebung, ihre Bauten und Konstruktionen mitteilen. So wird für uns eine Zeit und Atmosphäre spürbar, in der gleichzeitig sowohl das bäuerliche Leben, das Handwerk als auch industrielle Betriebe wirksam waren."

Die dokumentarische Beschreibung von Industrielandschaften im Westerwald und im Siegerland findet sich im systematischen Schaffen von Weller und zugleich auch in jenem von Bechers wieder, sogar motivische Analogien können veranschaulicht werden. Die Ansicht der Herdorfer Friedrichshütte, von Bernd und Hilla Becher 1963 aufgenommen, bietet beispielsweise einen guten Vergleich mit Peter Wellers Aufnahme desselben Werks von 1913. Augenscheinlich wird die Weiterentwicklung des Hüttenwerks, das zu den größten des Siegerlandes zählte. Und nicht zuletzt ist Herdorf der Geburtsort von August Sander, dessen Kindheit und Jugend in eine Zeit fällt, als die Bergwerke und Hütten des Siegerlands noch höchst produktiv waren.

Die Ansichten des Fotografen Peter Weller (* 1868 in Hommelsberg, Kreis Altenkirchen, † in 1940 Düsseldorf) entstanden ab 1900 bis in die Anfänge des Ersten Weltkriegs (1914–1918). Sachlich präzise führte er die Berg- und Hüttenwerke vor Augen, die seinerzeit ganz wesentlich die Identität und den Stolz der Region ausmachten. Denn ihr Bodenschatz, das Eisenerz, und die daraus gewonnenen hochqualitativen Eisen- und Stahlprodukte sorgten in der Gegend über Jahrzehnte hinweg für eine hohe, auch internationale Anerkennung. Wellers Fotografien, die ein anschauliches Bild der besonderen Landschaft zwischen Natur und Industrie vermitteln, sind Ansichten eines Menschen, der seine Motivwelt von Kindesbeinen an erlebt hatte und wertschätzte. Die Bedeutung Wellers Fotografien, insbesondere ihre methodischen, über den reinen Regionalbezug hinausreichenden Voraussetzungen wurden seit den 1970er-Jahren erkannt. Dies vor allem dadurch, weil auf Hinweis von Bernd und Hilla Becher Ansichten von Peter Weller als Neuabzüge auf der documenta 6 (1977) einbezogen wurden.
August Sander: Straßenarbeiter im Ruhrgebiet, um 1928/Abzug 1997 © Die Photographische Sammlung/SK Stiftung Kultur – August Sander Archiv, Köln; VG Bild-Kunst, Bonn, 2019/20

Die Exponate von Bernd und Hilla Becher (* 1931 in Siegen, † 2007 in Rostock / * 1934 Potsdam, † 2015 Düsseldorf) gehen sämtlich auf Aufnahmen aus dem Siegerland zurück, fotografiert zwischen 1961 und 1972, wobei die Entscheidung für die Ausführung der Abzüge im Format von 50 x 60 cm auf die Zeit Ende der 1980er-Jahre zurückgeht. Gezeigt werden sowohl Beispiele zum Thema der Fachwerkhäuser, als auch zum Thema der Industrielandschaften. Die Arbeit der Bechers im Siegerland ist zu Teilen biographisch motiviert, da Bernd Becher aus Siegen stammte, und seine Bildwelt früh vom industriellen Umfeld, den komplexen Hütten- und Bergwerksanlagen dieser Gegend inspiriert war. Zunächst richtete sich ab 1959 die gemeinsame Arbeit des Künstlerpaars auf das Thema der Fachwerkhäuser aus dem industriellen Lebensumfeld, wobei die Bauten so systematisch präzise wie wirklichkeitsnah veranschaulicht werden sollten. Daraus resultierte zum einen eine formal stringente Bildsprache, zum anderen ein Bildkonvolut, das Zeugnis eines hohen Geschichtsbewusstseins ist.

Max Becher, selbst Künstler und Fotograf, erinnert sich gut daran, wie akribisch seine Eltern jeden Arbeitsschritt überdachten: "Wenn auch beim Fotografieren nicht alles planbar ist, so haben beide doch mit hohem Anspruch an sich selbst und enormer Geduld versucht, ihre Motive gezielt zu finden und genau zum richtigen Zeitpunkt abzupassen. Eine Menge unterschiedlicher Koordinaten waren dabei zu beachten, die in Kürze kaum aufzählbar sind. Ihre Aufnahmen können, wenn man so will, mit realistisch aufgefassten Porträts verglichen werden, worauf die Gestalt, die typischen Merkmale und das Befinden einer Person genau ablesbar werden. Generell ging es ihnen um klare, sachlich korrekte und dokumentarische Photographien, die zusammengestellt in Bildreihen möglichst prägnant über bestimmte Phänomene des profanen Lebens, bevorzugt der Montanindustrie, berichten: über Bauformen, über Entwicklungen, über Ideen und Zeitgeist. In der Ordnung all dessen ist ihnen letztlich eine eigene Bildästhetik von hoher Prägnanz gelungen. Für mich gibt es vieles, das ich erst jetzt in ihrer Arbeit entdecke oder unter neuen Gesichtspunkten anschaue. Keine Frage, dass mir die Ausstellung ihrer Fotografien sehr wichtig ist."

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