Geltungsgebiete der Erhaltungssatzungen im Stadtbezirk 4
Überprüfung der bestehenden Erhaltungssatzungen im Stadtbezirk 4 mit Begründung
vom 10. September 2015
- Zustimmende Kenntnisnahme des Rates der Landeshauptstadt Düsseldorf am 10.09.2015 -
1. Anlass
In der Sitzung am 07.03.2012 beschloss die Bezirksvertretung 4 die Überprüfung der bestehenden Erhaltungssatzungen des Stadtbezirks 4 der Landeshauptstadt Düsseldorf in Hinblick auf Aktualität und Aussagen zur Ortsbildprägung.
Fraglich war, ob die Schutzbereiche, auf den sich die Erhaltungssatzungen erstrecken, aus heutiger Sicht noch zutreffend sind, ob die in der Begründung zur jeweiligen Satzung genannten städtebaulichen Ziele und Beschreibungen der städtebaulichen Besonderheiten des einzelnen Gebietes angepasst werden müssen und welche Bau- und Stilepochen als städtebauliche Eigenarten erhaltenswert sind.
2. Begriff der Prägung
Ziel der Erhaltungssatzungen ist es, die besondere städtebauliche Eigenart eines Gebiets zu schützen.
Das jeweilige Satzungsgebiet stellt ein städtebauliches Ensemble dar, welches im Ganzen betrachtet erhaltenswert ist. Im Geltungsbereich sind damit durchaus auch Gebäude erfasst, die nicht ortsbildprägend sind, weil sie sich z.B. in Dachform und Dachaufbauten sowie in ihrer Fassadengestaltung von der besonderen Eigenart des Gebietes absetzen.
„Prägung meint hier die Wahrnehmung einer Gestaltung mit bestimmter, einheitlicher und in deutlicher Differenz zu anderen, angrenzenden Orten stehender städtebaulicher oder architektonischer Konstellation. Dies impliziert gleichzeitig, dass bei der Veränderung des Ortes die Prägung und somit die Bindung verloren geht. In der Erhaltungssatzung wird daraus folgend nicht unterschieden zwischen ästhetischer also geschmackvoller, wohlgestalteter und geschmackloser oder unpassender Architektur bzw. Städtebau" (Prof. P. Jahnen, Fachhochschule Giessen, 2012).
Die Prägung ist zentraler Punkt einer Erhaltungssatzungsbegründung und wird daher unter Zuhilfenahme von bestehenden Definitionen im Folgenden erläutert:
„Eine Prägung des Ortsbildes im Sinne von § 172 Abs. 3, Satz 1 BauGB setzt voraus, dass die bauliche Anlage alleine oder zusammen mit anderen baulichen Anlagen eine wesentliche, d.h. gesteigerte Bedeutung für die äußere Erscheinung eines Ortsteils, Straßenzuges, Platzes oder sonstigen Bebauungszusammenhangs hat. Sie muss ihren räumlichen Wirkungsbereich im positiven Sinne nicht nur unwesentlich gestalterisch beeinflussen. Erfasst werden damit ausschließlich Wirkungen optischer Art. Ortsbildrelevant sind alle denkbaren Standorte, unabhängig davon ob sie öffentlich zugänglich sind oder nicht. Dementsprechend kommt es nicht darauf an, ob die bauliche Anlage vom Straßenraum aus einsehbar ist oder nicht. Anlagen, die für sich genommen die erforderliche prägende Wirkung nicht entfalten, aber Bestandteil eines für die Eigenart der näheren Umgebung bestimmenden Ensembles sind, sind in dieser Eigenschaft geschützt. Ein derartiges Ensemble kann auch aus einem ganzen Quartier bestehen, soweit der Zusammenhang noch nicht durch die bauliche Entwicklung wirksam gestört worden ist und das Ensemble für seine Umgebung daher noch die genannte qualifizierte Bedeutung hat." (OVG Hamburg, Urteil vom 12. Dezember 2007-2Bf 10/02).
3. Rechtssprechung
Innerhalb des Geltungsbereiches der Erhaltungssatzung nach § 172 Abs.1 Nr. 1 BauGB soll die städtebauliche Eigenart des Gebiets hinsichtlich seiner städtebaulichen Gestalt erhalten werden.
Aus den Vorschriften der Erhaltungssatzung resultiert ein besonderer Genehmigungsvorbehalt der Gemeinden für den Rückbau, die Änderung sowie die Nutzungsänderung, als auch für die Errichtung baulicher Anlagen. Dieser Erhaltungsschutz dient lediglich dem Ortsbild, der Stadtgestalt oder dem Landschaftsbild und baulicher Anlagen die von städtebaulicher, insbesondere geschichtlicher oder künstlerischer Bedeutung sind. Hierfür sind Merkmale der
Baustruktur und Fassadenmerkmale maßgebend, die auch als Maßstab für einzufügende Neubauten zu verstehen sind.
Die Änderung baulicher Anlagen umfasst unter anderem auch die Fenstergliederungen, Türen, Materialien, Ornamente und Farben. Allerdings liegt dies nur vor „wenn neben die ästhetische Wirkung auch eine städtebauliche Wirkung tritt, wie insbesondere ein prägender optischer Einfluss auf den Gebietscharakter" (OVG Lüneburg, DVBl. 1983, 469f.)
Die Anwendung des § 172 Abs. 1 Nr. 1 BauGB schließt den Rückbau, die Änderung sowie Nutzungsänderung und die Errichtung baulicher Anlagen grundsätzlich nicht aus. Das Satzungsgebiet stellt ein städtebauliches Ensemble dar, welches im Ganzen betrachtet erhaltenswert ist. Die Entscheidung über eine Versagung der Genehmigung bedarf einer Einzelfallbetrachtung und -prüfung. Dabei ist „ein ausgewogenes Verhältnis zwischen den Grundwerten des Eigentumsrechtes und dem Allgemeinwohl" herzustellen. (siehe Begründung zum Beschluss über die Anwendung von Erhaltungsgebieten gemäß § 39 h BBauGB, Abs. 2).
Die bauliche Erweiterung eines Gebietes wird indes innerhalb der Erhaltungssatzung gewährleistet. Die Versagung einer Baugenehmigung kann ausdrücklich nur aus städtebaulichen Gründen geschehen, insbesondere bei gestalterischen Fragen, muss der städtebauliche Eingriff oder die städtebauliche Änderung hinterfragt werden.
4. Bestehende Situation und Vorgehensweise
Im Stadtbezirk 4 sind verschiedene Werkzeuge der städtebaulichen Planung genutzt worden, um städtebauliche Besonderheiten zu schützen.
In den Ortsteilen Lörick und Niederkassel sind vorwiegend in den Bereichen der alten Ortskerne, aber auch darüber hinaus, Bebauungspläne mit entsprechenden Festsetzungen nach § 39h BBauGB oder § 172 BauGB über die Erhaltung baulicher Anlagen sowie zusätzlichen gestalterischen Festsetzungen (nach § 81 BauO NRW 1984) beschlossen worden. Die einzelnen Geltungsbereiche wurden auf ihre Aktualität, darin eingeschlossen ihre Grenzen und Ortsbildprägung untersucht.
Bei den Bebauungsplänen Alt-Lörick (B-Plan Nr. 5079/22) und Alt- Niederkassel (B-Plan Nr. 5278/52) handelt es sich bei der Festsetzung über den Erhalt baulicher Anlagen grundsätzlich um den Erhalt der Struktur und des Charakters eines niederrheinischen Dorfes. Beim Bebauungsplan Nr. 5278/50 in Niederkassel im Bereich Niederkasseler Straße / Kaiser-Friedrich-Ring soll die Ursprungsbebauung aus den 20er und 30er Jahren als typisches Beispiel für großbürgerliche Wohnhäuser erhalten werden, da sie in ihrem Baustil weitestgehend das Ortsbild prägt.
In allen drei Fällen wird die Festsetzung über den Erhalt von baulichen Anlagen mit den korrespondierenden Festsetzungen im jeweiligen Bebauungsplan zur Gestaltung der Gebäudestellung und zum Maß der Bebauung in ihrer Festsetzungstiefe und -genauigkeit als ausreichend betrachtet, um eine städtebauliche Steuerung im Sinne eines Erhalts zu gewährleisten.
In Oberkassel ist das Erhaltungssatzungsgebiet nach und nach zu unterschiedlichen Zeitpunkten beschlossen worden. Es setzt sich zusammen aus Erhaltungssatzungen und Bebauungsplänen, in denen entsprechende Festsetzungen getroffen wurden.
Im Stadtteil Oberkassel wird das Ortsbild durch Bauten des ausgehenden 19. und beginnenden 20. Jahrhunderts geprägt, die selten in einer derartigen Geschlossenheit anzutreffen sind. Das topographisch bezogene Straßennetz zeigt einen unverwechselbaren städtebaulichen Grundriss.
Vergleichbare gestalterische Festsetzungen, wie sie in den Bebauungsplänen vorliegen, sind in den selbstständigen Erhaltungssatzungen nicht vorhanden und innerhalb dieser juristisch gar nicht möglich.
Zur Überprüfung der Geltungsbereiche in Oberkassel wurden zunächst die einzelnen Teilgebiete graphisch erfasst. Zu den zu überprüfenden Bereichen gehören, wie zuvor erwähnt, sowohl selbstständige Erhaltungssatzungsgebiete als auch Bebauungspläne mit der entsprechenden Festsetzung zur Erhaltung baulicher Anlagen nach § 39 h BBauG und § 172 Abs. 1 Nr. 1 BauGB.
5. Fazit
Die drei Erhaltungssatzungen innerhalb von Bebauungsplänen in den Ortsteilen Niederkassel und Lörick bedürfen keiner Ergänzung oder Aktualisierung.
Die umfangreiche Überprüfung des Erhaltungssatzungsgebietes Oberkassel ergab, dass sowohl die Geltungsbereiche zutreffend und die Grenzen nach wie vor aktuell sind. Es besteht keine Notwendigkeit für Ergänzungen von anderen zeitlichen Epochen. Die Prägung Oberkassels geht weiterhin von Gebäuden des ausgehenden 19. Jahrhunderts und des beginnenden 20. Jahrhunderts mit einer weitestgehend geschlossenen Blockrandbebauung in zwei- bis fünfgeschossiger Bauweise aus. Die Entscheidung über eine Versagung der Genehmigung bedarf ebenfalls nach wie vor einer objektiven Einzelfallprüfung.
Zur Verdeutlichung der Aktualität der Geltungsbereiche und der ortsprägenden Bedeutung und um transparenter entscheiden zu können, wurde die Begründung in einer vertiefenden Untersuchung dahingehend überarbeitet, dass sie für die jeweiligen Einzellfallentscheidungen herangezogen werden kann. Grundsätze sind detaillierter aufgeführt und beschreibend erklärt. Zahlreiche Photos der ortsbildprägenden Gebäude und städtebaulichen Struktur sind in die Begründung eingearbeitet.
Anlage
Begründung